"Fülle" ist Niedersachsens Nummer 1
Beim WM-Debakel in Katar zählte er zu den wenigen Lichtblicken im deutschen Team, bei der EM in diesem Jahr köpfte er die DFB-Auswahl zum Gruppensieg - aber nicht nur wegen seiner Tore zählt Niclas Füllkrug zu den großen Sympathieträgern der Nationalmannschaft. Beliebt ist er auch bei Niedersachsens Sportjournalistinnen und Sportjournalisten: Sie wählten ihn zum neuen "Fußballer des Jahres" ihres Bundeslandes.
Niclas Füllkrug ist Niedersachsens neuer Fußballer des Jahres. Der gebürtige Hannoveraner und inzwischen bei West Ham United unter Vertrag stehende Stürmer setzte sich im Voting der niedersächsischen Sportjournalistinnen und Sportjournalisten mit 50 Prozent aller Stimmen vor Deniz Undav (VfB Stuttgart, 36,2 Prozent), Vivien Endemann (VfL Wolfsburg 8,6 Prozent) und Lars Gindorf (Hannover 96, 5,2 Prozent) durch.
„Ich freue mich riesig über die Auszeichnung zu Niedersachsens Fußballer des Jahres – besonders, weil ich immer noch sehr heimatverbunden bin. Meine ganze Familie lebt in Hannover und die Stadt wird zukünftig mein Lebensmittelpunkt sein. Sportlich gesehen war es mit dem Champions League-Finale und der Heim-EM natürlich ein besonders aufregendes Jahr. Ich danke allen, die für mich abgestimmt haben“, sagte Füllkrug.
NFV-Präsident Ralph-Uwe Schaffert erklärte zum Ergebnis: „Mit seiner Wahl haben die niedersächsischen Sportjournalisten und Sportjournalistinnen nicht nur den Fußballer, sondern auch die Persönlichkeit Füllkrugs gewürdigt. Auf und neben dem Platz hinterlässt er einen starken Eindruck. Mit seiner souveränen, selbstbewussten und authentischen Art ist er zu einem der großen Sympathieträger unserer Nationalmannschaft geworden. Eine Mannschaft, die wieder begeistert. Daran hat Niclas Füllkrug entscheidenden Anteil – nicht nur wegen seiner Tore. Deshalb ist diese Wahl Anerkennung und Bestätigung für sein Auftreten als Spieler und Mensch.“
Hans-Joachim Zwingmann, Vorsitzender des Vereins Niedersächsische Sportpresse, mit dem der Niedersächsische Fußballverband die Wahl seit 2007 veranstaltet, sagt: „Das Ergebnis der Wahl hat gezeigt, dass Niclas in seinem Heimatland Niedersachsen nach wie vor einen hohen Stellenwert besitzt, obwohl er nicht mehr für einen Klub des Niedersächsischen Fußballverbandes spielt. Besonders während der EM in diesem Jahr in Deutschland hat `Fülle` mit seinem Joker-Auftritt und dem Last-Minute-Tor gegen die Schweiz dazu beigetragen, dass die DFB-Auswahl als Gruppenerster ins Achtelfinale einziehen konnte. Füllkrugs Talent wurde in Hannover-Ricklingen schon frühzeitig erkannt, denn als kleiner Junge erzielte er über 100 Tore. Für die Zukunft bei seinem neuen Klub West Ham United wünschen wir viel Erfolg und gratulieren als Verein Niedersächsische Sportpresse ganz herzlich zur Wahl.“
Die Geschichte von Niclas Füllkrug ist die Geschichte eines herausragenden Talents, das zwar schon mit 18 in der Bundesliga spielte, bis zu seinem Aufstieg in den fußballerischen Olymp aber lange warten musste. Schon früh kursierten im Netz Videos, die den Jungen aus dem Hannoveraner Stadtteil Ricklingen beim Toreschießen zeigen. Als F-Junior erzielt er in einer Saison mal 162 Treffer. Schon bald interessiert sich die halbe Fußball-Republik für ihn. Als er im Winter 2006 kurz vor seinem 13. Geburtstag mit der Kreisauswahl Hannover-Stadt am E.ON Avacon-Cup, der niedersächsischen U 13-Hallenmeisterschaft, teilnimmt, und diese auf Platz 3 im Gesamtklassement führt, geben sich die Scouts in der Barsinghäuser Karl-Laue-Halle die Klinke in die Hand. Der FC Bayern, Werder Bremen, Eintracht Braunschweig oder Hannover 96 – alle wollen den Hochbegabten mit dem damals schon strammen Schuss verpflichten.
Im Juli 2006, das deutsche WM-Sommermärchen ist auf der Zielgeraden, schließt er sich Werder Bremen an. Ein Jahr pendelt er mit Vater Andreas als Chauffeur zwischen der niedersächsischen Landeshauptstadt und der Hansestadt hin und her, dann zieht er ins Werder-Internat. Bei den Grün-Weiß durchläuft er fortan alle Jugendteams und schafft den Sprung zu den Profis, wo er von Marko Arnautovic seinen Spitznamen „Lücke“ erhält, weil ihm rechts von den Schneidezähnen ein Zahn fehlt. Am 28. Januar 2012 feiert er im Weserstadion sein Bundesligadebüt gegen Bayer Leverkusen; gut acht Wochen später, am 24. März, erzielt er im Heimspiel gegen Augsburg sein erstes Tor im deutschen Fußball-Oberhaus.
Doch der Durchbruch gelingt dem Sturmtalent an der Weser (zunächst) nicht – auch weil er von Januar bis Mai 2013 wegen einer Knieverletzung lange auf Eis liegt. Wieder genesen, geht Füllkrug im Sommer ins Frankenland. Zunächst zur SpVgg Greuther Fürth, dann zum 1. FC Nürnberg. Nach drei Jahren 2. Liga kehrt er 2016 in seine Heimatstadt Hannover zurück, feiert ein Jahr später mit 96 den Aufstieg in die Bundesliga. Insgesamt 80 Pflichtspiele absolviert er für die „Roten“, ehe er 2019 erneut beim SV Werder unterschreibt. Es werden zunächst sehr schwere Zeiten, denn nach nur zehn Toren in zwei Jahren und dem Abstieg in 2. Liga scheint seine Karriere in die Sackgasse geraten zu sein.
Doch es war dieser Schritt zurück, der Füllkrug nachhaltig nach vorne bringen wird. An der Seite seines kongenialen Sturmpartners Marvin Duksch hat der kopfballstarke Angreifer mit 19 Toren und acht Vorlagen großen Anteil an der direkten Bundesliga-Rückkehr der Hanseaten im Jahr 2022. Und es kommt noch besser: In der Saison 2022/23 wird „Fülle“ mit 16 Treffern Torschützenkönig in der Beletage des deutschen Fußballs. Doch der Höhepunkt einer bis dahin eher durchwachsenen Karriere ist dies nicht. Denn seit November 2022 ist Füllkrug zudem Nationalspieler – und hat zu diesem Zeitpunkt mehr Zweitliga- als Erstligaspiele (135/111) bestritten. Mit 29 Jahren und 280 Tagen zählt er darüber hinaus zu den ältesten Debütanten in der Geschichte der DFB-Auswahl und erzielt gegen den Oman, dem letzten Test vor der Wüsten-WM in Katar, auch gleich den 1:0-Siegtreffer. Bei der WM selbst, die für die deutsche Elf mit dem Vorrunden-Aus ein unerwartet frühes Ende nimmt, gehört er zu den wenigen Lichtblicken und erobert sich nicht nur wegen seiner Tore einen Platz in den Herzen der deutschen Fußball-Fans. Lückes Art kommt an.
Auch auf Vereinsebene erfolgt ein Upgrade, Borussia Dortmund nimmt ihn im Sommer 2023 unter Vertrag. Für Schwarz-Gelb markiert er in 43 Pflichtspielen 15 Tore und kommt auf zehn Vorlagen. Das Highlight: Der Einzug ins Champions League-Finale. Gegen Real Madrid steht Füllkrug im Londoner Wembley-Stadion in der Startformation und hat Pech, als er in der 24. Minute im Fallen nur den Innenpfosten trifft. Am Ende verliert eine zunächst bärenstarke Borussia mit 0:2, Füllkrug trifft nach 86 Minuten ins Tor, steht dabei aber im Abseits.
Was zu diesem Zeitpunkt wohl noch keiner ahnt: Gut 27 Kilometer von Wembley entfernt findet er im August eine neue sportliche Heimat. Im Londoner Olympiastadion, das im Osten der britischen Metropole liegt, geht er seitdem für West Ham United auf Torejagd.
Aufgrund seines Engagements in der Premier League ist aktuell noch offen, ob seine Ehrung als „Niedersachsens Fußballer des Jahres“, die traditionell in Barsinghausen stattfindet, auch diesmal am NFV-Sitz über die Bühne gehen wird.
Zum Modus: Erstmals standen auch Spieler zur Wahl, die zwar nicht mehr bei einem NFV-Verein spielen, aber ihre fußballerischen und persönlichen Wurzeln in Niedersachsen haben. Damit folgen der NFV und der Verein Niedersächsische Sportpresse u.a. dem Beispiel des kicker, der bei der Wahl zu „Deutschlands Fußballer des Jahres“ in der Vergangenheit mit Thomas Häßler (AS Rom) oder Oliver Bierhoff (Udinese Calcio) Spieler auszeichnete, die außerhalb der Bundesrepublik unter Vertrag standen. Eine Veränderung gab es zudem im Bewertungszeitraum. Galt bisher stets das Kalenderjahr vom 1. Januar bis zum 31. Dezember als Maßstab, so ist nun die Dauer eines Spieljahres das Kriterium – in diesem Fall also die Saison 2023/24.
Niedersachsens Fußballer*in des Jahres
- 1991: Uwe Groothuis (Kickers Emden). Pate: Uwe Seeler †
- 1992: Petra Damm (VfR Eintracht Wolfsburg). Pate: Jupp Derwall †
- 1993: Andre Breitenreiter (Hannover 96). Pate: Hans Tilkowski †
- 1994: Josef Menke (SV Meppen). Pate: Bernard Dietz
- 1995: Stefan Meißner (VfL Wolfsburg). Pate: Horst Hrubesch
- 1996: Stefan Prause (Kickers Emden). Pate: Bernd Franke
- 1997: Jörg Sievers (Hannover 96). Pate: Dieter Burdenski
- 1998: Roy Präger (VfL Wolfsburg). Pate: Manfred Burgsmüller †
- 1999: Gerald Asamoah (Hannover 96). Pate: Johannes Löhr †
- 2000: Uwe Brunn (VfL Osnabrück). Pate: Uli Stein
- 2001: Christian Claaßen (VfL Osnabrück). Pate: Marco Bode
- 2002: Jan Simak (Hannover 96). Pate: Hans Siemensmeyer
- 2003: Fredi Bobic (Hannover 96). Pate: Michael Skibbe
- 2004: Stefanie Gottschlich (VfL Wolfsburg). Patin: Tina Theune-Meyer
- 2005: Per Mertesacker (Hannover 96). Pate: Max Lorenz
- 2006: Thorsten Stuckmann (E. Braunschweig). Pate: Horst Wolter
- 2007: Robert Enke † (Hannover 96). Pate: Horst Podlasly †
- 2008: Martina Müller (VfL Wolfsburg). Patin: Steffi Jones
- 2009: Marcel Schäfer (VfL Wolfsburg). Pate: Marcel Reif
- 2010: Edin Dzeko (VfL Wolfsburg). Pate: Werner Hansch
- 2011: Didier Ya Konan (Hannover 96). Pate: Sebastian Hellmann
- 2012: Jan Schlaudraff (Hannover 96). Pate: Kai Dittmann
- 2013: Mame Diouf (Hannover 96). Pate: Mousse T.
- 2014: Ron-Robert Zieler (Hannover 96). Pate: Michael Richter
- 2015: Kevin De Bruyne (VfL Wolfsburg). Pate: Dieter Hecking
- 2016: Marvin Schwäbe (VfL Osnabrück). Pate: Harald Pistorius
- 2017: Martin Harnik (Hannover 96). Pate: Peter Linden
- 2018: Waldemar Anton (Hannover 96). Pate: Martin Andermatt
- 2019: Nils Körber (VfL Osnabrück). Pate: Uwe Brunn
- 2020*: Pernille Harder (VfL Wolfsburg). Pate: N.N.
- 2021: Maximilian Arnold (VfL Wolfsburg), Patin: Inka Blumensaat
- 2022: Alexandra Popp (VfL Wolfsburg), Pate: Jörg Jakob
- 2023/24: Niclas Füllkrug (Werder Bremen/Borussia Dortmund), Pate: noch offen
*= Wegen der Corona-Pandemie fand 2020 keine Ehrungsveranstaltung statt.